Die astronomischen Wanderwege in Suhl
Die Hauptaufgabe astronomischer Einrichtung ist es, den Besuchern eine Vorstellung von den Objekten des Weltalls, ihrer Grösse, ihres Aussehens und Geschichte sowie den wahrhaft astronomischen Entfernungen zwischen und zu ihnen zu vermitteln. Vieles können Beobachtungen in der Sternwarte, Vorführungen im Planetarium oder der Einsatz anderer Hilfsmittel (All-Skys, Dias, Videos u.s.w.) leisten. Aber um die Objekte fassbar, greifbar zu machen müssen sie in Bezug zu irdischen Grössen gesetzt werden. Nur so kann der Besucher, ausgehend von seiner eigenen Bezugswelt, einen realen Einblick in die Weiten des Alls erhalten.
So haben wir in unserer astronomischen und raumfahrttechnischen Ausstellung verschiedene Modelle gebaut um die realen Grössenverhältnisse zu veranschaulichen. Für den Vergleich der Grösse der Sonne mit der der Planeten, haben wir beispielsweise eine 4,5 m grosses Kreissegment als Sonne an die Wand gebracht. Im entsprechenden Grössenmassstab wurden dann die 8 Planeten (Merkur, Venus, Erde, Mars, Saturn, Jupiter, Uranus und Neptun) gebastelt und aufgehängt .
Um den dadurch oft entstandenen Eindruck einer gigantischen Sonne zu relativieren haben wir die Sonne noch einmal gezeichnet – diesmal allerdings im Vergleich zu Betelgeuse, Rigel, Aldebaran und Sirius – da relativieren sich die Verhältnisse schnell wieder.
Natürlich kann bei dem gewählten Massstab für unsere Sonnenscheibe das Ab- standsverhältnis nicht realisiert werden. Um auch dies zu erreichen, entwickelten wir – was lag im wanderfreudigen Thüringen näher - einen 4 km langen Planetenwanderweg im Massstab 1:1.500.000.000. Zwar gibt es inzwischen viele solcher Wanderwege aber wohl nur wenige in der von uns gewählten Rucksackversion. Die Besucher "schleppen" sozusagen die Planeten selbst entlang des Weges – eine doppelte Interaktivität. An den entsprechend markierten Punkten können sie dann ein massstabsgetreues Modell des jeweiligen Planeten in die Hand nehmen, und aus den beiliegenden Unterlagen wesentliches über den entsprechenden Himmelskörper erfahren. Seit nunmehr drei Jahren wird dieser Wanderweg rege genutzt. Besonders oft wird er bei komplexen Projektveranstaltungen genutzt. Diese Veranstaltungen setzen sich zusammen aus:
- auf Alter, Interessen und Ausgangsniveau bezogenen Planetariumsvorführungen
- themenbezogenen Führungen durch unsere raumfahrttechnische und astronomische Ausstellung
- Schwerpunktvorträge zu ausgewählten Themen im Hörsaal
- angeleiteten Beobachtungen
- geführten Wanderungen
Diese abwechslungsreichen und vielseitigen Angebote sind aufeinander abgestimmt und ergänzen sich sehr gut.
Der letzte Satz in der Beilage zu unserem Planetenwanderweg "Wenn sie in diesem Maßstab zum nächsten Stern weiter laufen, müssten sie noch 28.000 km zurücklegen" brachte mich auf die Idee einen Wanderweg zu entwickeln der über das Sonnensystem hinaus reichte. Unterstützung für mein Vorhaben fand ich an der Uni Jena. Dank dieser Hilfe wurde dieses Projekt "Sternenwanderweg" als Hausarbeit im Rahmen des Seminarfaches von drei Schülern eines Jenaer Gymnasiums bearbeitet.
Viele Diskussionen und Vorüberlegungen zur Realisierung des Wanderweges u.a. über :
- die Struktur des Weges
- die Anzahl der Objekte (und welche) die ausgewählt werden sollten
- die Auswahl und Entwurf der erläuternden Beilagen u.v.m.
erbrachten im Ergebnis unseren neuen Sternenwanderweg.
Der Wanderweg ist als ein 5 km langer Rundwanderweg angelegt. Auch diesmal wurde er wieder in der "Rucksackvariante" realisiert. Der erste Kilometer (Massstab 1:6.000.000.000) durchstreift das Sonnensystem mit dem Ausgangspunkt Sonne (1) (Kugel mit D=93 cm) im Foyer der Sternwarte. Als weitere Objekte wurden die Erde (2) (Entfernung 25m) und der äusserste Planet Pluto (3) (1 km) ausgewählt. Nach einem Kilometer wird zum ersten mal das entscheidende Element unseres neuen Wegs eingeführt - ein Massstabssprung lässt die bisher durchlaufene Strecke auf 10 cm schrumpfen. Die Veranschaulichung des ersten und der drei weiteren Massstabsprünge ist ein zentraler Punkt im Konzept des Wanderweges. Deshalb wurde grosser Wert auf die Erklärung und Veranschaulichung dieses Vorgangs gelegt. Verschiedene Hilfsmittel wurden zur Verdeutlichung einbezogen:
- Grössen- und Entfernungsvergleiche aus der Alltagswelt der "Sternenwanderer"
- gebastelte Modelle des jeweils durchlaufenen Systems nach dem Massstabssprung die in durchsichtigen Plastbehältern im Rucksack mitgeführt werden
- erläuternde Graphiken die in den Wanderwegunterlagen integriert sind
- Kontrollfragen die das Verständnis überprüfen sollen.
Als Massstab für den ersten Kilometer wurde 1:39,4 AE gewählt, der neue Masstab für den zweiten Kilometer, der uns zu den Stationen Oortsche Wolke (4) und Proxima Centauri (5) führt, beträgt 1:270.000 AE. Nach Erreichen unseres nächstgelegenen Sterns macht sich eine erneute Massstabsänderung auf 1:1,9 Mrd. AE erforderlich. In den Unterlagen findet sich folgender Vergleich: "Die bisher erlaufene Strecke entspricht im neuen Massstab 14,3 cm. Unser Sonnensystem schrumpft auf 0,04 mm (Haaresbreite)."
Die nun folgenden Stationen sind Plejaden/Polarstern (6) und die Milchstraße (7). Nach den nunmehr 3 durchlaufenen Kilometern muss wieder "gesprungen" werden und zwar auf den Massstab 1:4,4 Bio. AE. Das Sonnensystem hat nun eine Grösse von 9 nm! Ausgerüstet mit diesen ungeahnten Möglichkeiten lassen sich Andromedanebel (8) und sogar der Virgohaufen (9) schnell erreichen. Um aber in die entferntesten Regionen des Alls zu gelangen muss noch ein letzter Sprung vorgenommen werden. Am Ende des letzten Kilometers befinden sich die entferntesten Objekte des Universums die Quasare (10) - und kurz danach die Sternwarte - wir sind wieder zurück.
Seit einigen Jahren wird dieser Weg genutzt. Vorrangige Zielgruppen sind die Klassenstufen 9 und älter, Wanderungen im Rahmen des Astronomieunterrichtes sowie öffentliche Wanderungen für Interessierte. Für jüngere Gruppen haben wir nach den ersten drei Kilometern, diese Strecke enthält nur Objekte die man auch mit blossem Auge sehen kann, eine „Ausstiegsmöglichkeit“ integriert: einen nahtlosen Übergang zum Suhler Tierpark. Aus Erfahrung wissen wir, dass dies ohnehin eine häufig gewählte Variante für Schulklassen ist: Besuche in der Sternwarte und im Tierpark
Auf dem gegenwärtigen Stand wollen wir nicht stehen bleiben wir beabsichtigen:
- auf die unterschiedlichen Ausgangsniveaus der Besucher zugeschnittene Führungsunterlagen zu entwickeln
- ausgehend von den gewonnenen Erfahrungen die bildlichen und sprachlichen Vergleiche auszubauen und zu ergänzen.
Gemeinsam mit unserem Rucksackplanetenwanderweg stehen uns nun zwei Wanderwege zur Verfügung, bei denen sowohl astronomische als auch landschaftliche und „tierische“ Entdeckungen möglich sind.